Guck mal, gefrorenes Wasser! Wahrscheinlich reißt dich so ein Ausruf im Winter nicht vom Hocker, falls du nicht gerade an der Bergstraße wohnst, hast du wahrscheinlich schon das ein oder andere Mal in der kalten Jahreszeit mit gefrorenem Wasser zu tun gehabt.
Aber was, wenn das Wasser nun kugelrund wäre? Noch dazu hübsche Verzierungen hätte, die wie organisch gewachsene Farne aussehen? Und außerdem bei der kleinsten Berührung kaputt ginge? Schon interessanter, dein neues Winterhobby, oder?
Genug der Vorrede, natürlich geht es um die gefrorenen Seifenblasen, die seit einiger Zeit durchs Internet geistern und die den Winter irgendwie schöner machen, weil keine aussieht, wie die andere und eigentlich ist ja alles irgendwie Kunst, wenn es toll, einzigartig und obendrein zerbrechlich ist.
Und weil man ja nicht den ganzen Tag Schnee schippen oder die Kinder beim rodeln beaufsichtigen kann, gönn’ dir ruhig mal was entspannendes und friere ein bisschen rundes Wasser ein, das ist klasse, bringt Spaß und macht sich gut im Fotoalbum. Außerdem kannst du dabei noch was über dich selbst und deinen Geduldsfaden lernen, und wer möchte das nicht? Eben.
Es ist rund!
Seifenblasen machen ist eine sommerliche Kindheitserinnerung, im Garten umherrennen, mit der Original Pustefix-Mischung große und kleine Blasen produzieren und wenn das Fläschchen leer war (oder versehentlich ausgegossen wurde), wurde es mit Wasser und einem Schuss Spüli aufgefüllt und schon konnte der Spaß weiter gehen. Bestimmt erinnerst du dich noch an diese unbeschwerte Zeit. Und im Winter? Kann man das natürlich genauso machen - also das mit dem Runrennen und dem versehentlichen Ausgießen des Fläschchens - oder man kann die Seifenblasen etwas vorsichtiger pusten, ablegen und warten, bis sie gefrieren und schöne Muster bekommen.
Ich habe schon einige Anläufe dafür unternommen, doch diese scheiterten in den letzten Jahren an den milden Temperaturen, die uns im nördlichen Hessen Ende Januar höchstens ein paar feuchte Flocken Neuschnee bescherten, die an Schneeschippe kleben blieben und spätestens am Vormittag schon wieder komplett weggetaut waren. Doch in 2021 war alles anders, denn Anfang Februar kündigte sich auf dem Wetterradar kalte Luft aus Sibirien an. Sehr. Kalte. Luft. Minusgrade, auch tagsüber! Eine ganze Woche lang! Dazu Schnee! Die beste Möglichkeit, das Seifenblasenprojekt endlich in den Go Live-Status zu heben.
Die Mischung macht’s
Da in unserem Haushalt standardmäßig kein Pustefix vorhanden ist und aufgrund des Lockdowns auch nicht so einfach an welches dranzukommen war, wurde erstmal das Internet nach DIY-Rezepten leer gelesen. Was für abenteuerliche Rezepturen da zu Tage kamen, mit Zucker, Kleister, Zahnpasta, Babyshampoo, Glycerin, destilliertem Wasser und Spülkonzentrat von namhaften Firmen!
Da ich eine große Freundin der Simplizität bin, habe ich mich langsam an die Materie rangetastet, Wasser mit einem ordentlichen Spritzer Spülmittel Marke NoName vermischt und das ganze mit einem Strohhalm getestet: es tropfte jedoch nur frisch riechender Schaum aus der Öffnung herunter, nichtmal der Ansatz einer kleinen Blase. Scheinbar ist das Spülmittel von heute nicht mehr universell für Spielereien geeignet.
Nach einer zweiten Recherchereihe habe ich der Mischung noch einen Teelöffel Zucker hinzugefügt, um die Mischung zu verdicken und sie eine Weile stehen lassen. Statt des Strohhalms wurde ein Pfeifenreiniger wurde zu einem Pustering mit etwa 1 Zentimeter Durchmesser geformt und gleich beim ersten Versuch entstand über dem Küchenwaschbecken eine Blase in beachtlicher Größe. Heureka!
Die Sache mit dem Geduldsfaden
Am nächsten Morgen war auch prompt die angekündigte sibirische Kaltluft angekommen, oder sollte ich besser Eisluft sagen? Wenn das Dachfenster festgefroren ist und sich nicht mehr öffnen lässt, ist es wohl wirklich kalt.
Zeit, zur Tat zu schreiten! – Stell dir jetzt kurze Slo-Mo mit heroischer Musikunterlegung vor.
In dicken Klamotten auf dem Balkon hatte ich nämlich meine ersten Erfolge… nicht. Zwar kamen wunderschöne Seifenblasen zu Stande, aber ans Gefrieren dachte von denen keine, zumindest nicht, bevor sie wieder zerplatzten.
Kleine Helferlein
Rundherum durchgefroren (Das Thermometer stand auf unglaublichen -15 Grad! In Nordhessen!) war ich kurz davor, meine Karriere im Sektor des runden gefrorenen Wassers wieder an den Nagel zu hängen. Hilft ja nichts, wenn man andere Talente hat.
Doch natürlich ließ meinem Ehrgeiz die Sache keine Ruhe. Ein paarmal gelang es mir, mit dem Strohhalm eine Blase an einen Zweig zu hängen, dort wurde sie jedoch postwendend birnenförmig, eine andere machte es sich breitbeinig auf einem vertrockneten Blatt gemütlich. Immerhin froren diese Versionen an und bekamen erfreuliche Muster, ich war also auf der richtigen Spur.
Im unaufgeregten Video eines Kanadiers fand ich schließlich den Tipp, die Seifenblasen-Mischung auf die Unterseite einer umgedrehten Tasse oder einer kleinen Schale zu gießen und dann dort direkt mit dem Strohhalm aufzupusten. Vorteil: die Seifenblase ruht bereits entspannt auf einem Untergrund und muss nicht erstmal den Aufprall überstehen. Und man kann sie schön groß aufblasen. Nachteil: ganz rund werden sie auf diese Art nicht, aber irgendwas ist ja immer. Mit diesem Trick lag meine Erfolgsquote plötzlich bei 100% und es gelangen mir ein paar schöne Aufnahmen der Kristallstrukturen, bevor mich die Kälte entgültig wieder in die warme Wohnung trieb.
Zusammengefasst
Beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Seifenblasenvergnügen sind Minusgrade an einem möglichst windstillen Tag. Die Strukturen der kleinen Kunstwerke kommen vor einem dunklen Hintergrund gut zur Geltung, etwas Licht von der Seite sorgt für schöne Reflektionen. Meine Bilder habe ich bei gleich bei Sonnenaufgang gemacht und die einfallenden Sonnenstrahlen als Beleuchtung genutzt. Es ist natürlich auch künstliches Licht denkbar.
Als Linse eignet sich ein Makroobjektiv, da ich kein solches besitze, habe ich mein Tamron 28-75mm in der längsten Brennweite verwendet. Je nachdem wie weit die Blende geöffnet oder geschlossen wird, kommt die Tiefenschärfe zur Geltung, da ich einen soften Hintergrund sehr passend für diese Art von Fotos finde, habe ich eine eher kleine Blende gewählt.
Pro-Tipp für die Erhöhung der Lebensdauer deiner Kamera in der kalten Jahreszeit: sobald du wieder in die Wohnung kommst, nimm Speicherkarte und Akku heraus und stecke das gute Gerät in eine Plastiktüte mit möglichst wenig Luft. Dort darf sie dann geruhsam auftauen, ohne dass sich Kondenswasser bildet, das dem empfindlichen Innenleben schaden könnte.
- Windstiller Tag
- Temperaturen unter Null Grad
- Seifenblasenmischung
- Strohhalm oder Pustering
- Makro- oder Teleobjektiv
- Optional: kleine Schale
- Plastiktüte für die Kamera
Für die Mischung hat bei mir folgende Rezeptur funktioniert, es gibt jedoch unzählige Varianten, also am besten einfach ein bißchen ausprobieren.
- 150ml Wasser, möglichst kalkarm oder destilliert
- 1 TL Spülmittel, möglichst frei von Parfum oder Zusatzstoffen
- 1 TL Zucker zur Verdickung - auch möglich sind Puderzucker, Zahnpasta, Glycerin oder Sirup
Das Ganze gut verrühren, aber ohne dass sich dabei zuviel Schaum bildet. Die Mischung sollte draußen nicht zu kalt werden, sonst passieren damit komische Dinge - in einem Behälter, der etwas zu lange im Schnee stand, war nur noch Schaum übrig, aus dem keine Seifenblase mehr zu formen war.
Noch etwas Nachtisch gefällig?
Wusstest du, das Seifenblasen aus einer dünnen Schicht Wasser bestehen, an deren inneren und äußeren Seite sich jeweils eine Schicht von Seifenmolekülen anlagern? Die Seifenteilchen richten sich alle mit ihrem wasserlöslichen Teil zur Wasserschicht aus, sie stehen also wie eine Reihe Soldaten stramm und geben dem Wasserfilm dadurch Stabilität.
Zumindest bis sie es nicht mehr tun, weil das Wasser verdunstet und durch die Schwerkraft in der Seifenblase nach unten fließt, so dass die Blase an ihrer Oberseite dünner und dünner wird, bis sie schließlich platzt. Durch das Gefrieren wird dieser Prozess verlangsamt, eine gefrorene Seifenblase kann daher deutlich länger halten als eine im nicht gefrorenem Zustand. Sobald sich die ersten Muster an der Oberfläche zeigen, kannst du entspannt die Kamera klar machen, die Seifenblase wird dir nun etliche Minuten erhalten bleiben.
Und nun: Viel Erfolg beim Nachmachen!
Tutorial FotografieFirst published on , 1270 words