Neben dem großen Bruder Bergpark Wilhelmshöhe ist der Staatspark Karlsaue der zweite große Park, der direkt an die Innenstadt von Kassel angrenzt.
Während der Bergpark Wilhelmshöhe seinen Namen nicht von ungefähr hat, er ist von Bergen durchzogen und verlangt dem geneigten Spaziergänger die ein oder andere Steigung ab, ist die Karlsaue perfekt zum gemütlichen Flanieren. Sie liegt direkt an Kassels Hausfluss, der Fulda, hier ist alles so flach wie das Flussbett selbst. Sie beeindruckt durch schöne ruhige Kanäle, mittig liegen sich zwischen schnurgeraden Alleen aus Eichen und lassen das Herz eines jeden Symmetriefans höher schlagen. Nachteil: durch die flache Lage gibt es in der Karlsaue keine kleinen und großen rauschenden Wasserfälle sondern nur stehende Gewässer, aber irgendwas ist ja immer.
Orangerie
Ganz im Norden des Parks steht das barocke Schloss Orangerie, fast 140 Meter breit und leuchtend gelb ist es durch die langgezogenen gerade Achsen des Parks weithin sichtbar. Die zwei kleineren Gebäude links und rechts von der Orangerie sind das Marmorbad und der Küchenpavillon.
Ihren Namen hat die Orangerie übrigens nicht aufgrund ihrer Farbe (dann wäre auch Gelberie irgendwie passender), sondern weil es zur Zeit ihres Erbauers Landgraf Karls eine sogenannte Orangeriekultur in Kassel gab. In Orangeriegärten sammelte und kultivierte man Zitruspflanzen aus südlichen Ländern und ein Teil der Orangerie diente den kälteempfindlichen Gewächsen im Winter als Herberge, in der sie in ihren Kübeln vom Fühling träumen konnten. Im Rest des Gebäudes feierte der Landgraf Feste, wer hat, der hat schließlich.
Heute befindet sich in der Orangerie ein Planetarium, zudem ist sie Sitz des Astronomisch-Physikalisches Kabinetts. Die große Sonne am Fenster im Eingangsbereich ist Teil des Planetenwanderwegs, der durch die Karlsaue führt. Gelegentlich werden die Innenräume für verschiedene Kulturveranstaltungen genutzt. Der große runde Vorplatz der Orangerie ist umsäumt von einem Spazierweg, der links und rechts von Lindenbäumen flankiert ist. Also suzusagen kreisförmige Symmetrie. An der Südseite des Vorplatzes schauen 10 Skulpturen aus der römischen Mythologie in Richtung Orangerie. Der Vorplatz selbst ist zu praktisch jeder Jahreszeit beliebter Treffpunkt von Kasseler Einwohnern, die schnell aus der Innenstadt ins Grüne schlüpfen, um Boccia zu spielen, ihren Hund toben zu lassen oder einfach nur auf der Wiese abzuhängen, hier ist eigentlich immer etwas los.
In den Abendstunden werden das Schloss und die beiden Pavillons beleuchtet, was ein immer wieder tolles Fotomotiv ist. Aber damit nicht genug: zusätzlich zeigen von der Orangerie Laserstrahlen die drei großen Sichtachsen der Karlsaue entlang, die Laserstrahlen sind Teil des Laserscape Kassel. Also Stativ nicht vergessen für eine schöne Langzeitbelichtung.
Die Mutter des Waldes
Wie in jedem guten Park gibt es auch in der Karlsaue beeindruckende Bäume. Meine liebste, monumentale Freundin ist die Rotbuche in der Nähe des Aueteichs, deren Wurzeln halb oberirdisch liegen. Im zeitigen Frühling treibt sie die ersten, bereits herbstlich gefärbten Blätter aus und unter den Zweigen, die sich wie ein Kuppeldach rund um den Stamm herum nach unten neigen, fühlt man sich durchaus behütet. Nicht umsonst wird die Rotbuche auch als Mutter des Waldes bezeichnet.
Von Aueteich, auch Großes Bassin genannt, ist es nicht mehr weit zum südlichen Ende der Karlsaue, die Insel Siebenbergen bildet den Abschluss des Parks. Die Insel wird jahreszeitlich aufwändig bepflanzt und trägt daher den Beinamen Blumeninsel. Der Eintritt zur Insel ist kostenpflichtig und zwischen Ostern und Oktober möglich.
Bißchen Mäh dazu
Das vielstimmiges Gemähe, das an manchen Tagen durch die Karlsaue schallt, kommt von der Schafsherde, die hier immer mal wieder zu Gast ist. Sie gehört einem Schafsbetrieb aus der Umgebung und ist schon von weitem zu hören. Die zahlreichen kleinen und größeren Flauschbälle weiden gemütlich an den alten Bäumen entlang und sorgen dafür, dass der Rasen schön kurz bleibt.
Was ist denn nebenan?
Wenn du in der Karlsaue zu Besuch bist, und gerade keine documenta Kunstausstellung ist - also meistens, denn diese findet nur alle 5 Jahre statt - kannst du dir als Ausgleich eines der in Kassel heimisch gewordenen Kunstwerke direkt am nordöstlichen Ausgang der Aue am Ufer der Fulda ansehen: die Spitzhacke, die 1982 als Beitrag zur documenta 7 aufgestellt wurde. Beeindruckende 12 Meter ragt sie in die Höhe und scheint allen Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen. Sie dient der Erinnerung an den Wiederaufbau Kassels nach seiner Zerstörung im 2. Weltkrieg. Nach Ansicht des Künstlers Claes Oldenburg verbindet die Spitzhacke den Süden von Kassel mit dem Herkules, der die Spitzhacke als Wurfgeschoss bis an die Fulda geschleudert haben soll.
Auch an der westlichen Seite des Parks schlängelt sich ein kleiner Flussarm durch einen Kanal. Eigentlich handelt es sich bei diesem Flusslauf um die Drusel, die ihre Quelle weit oben im Habichtswald hat. Hier unten im Tal an der Karlsaue angekommen, wird sie liebevoll als die kleine Fulda bezeichnet. Eine Brücke führt hinüber und schon stehst du auf der sogenannten Kifferwiese, bei der selbstredend der Name Programm ist.
Auf der Kifferwiese bist du schon fast in der Kasseler Innenstadt, es gilt nur noch den Höhenunterschied zu überwinden. Dafür stehen verschiedene Wege zur Auswahl: der Rosenhang, das Kriegerdenkmal oder die Gustav-Mahler-Treppe. Oben angekommen stehst du an der Schönen Aussicht, die ganz unoriginell wegen der schönen Aussicht so heißt. Der Blick von hier auf die Karlsaue und die Orangerie ist zu jeder Jahreszeit ein tolles Fotomotiv.
Gut zu wissen
Wie der Bergpark Wilhelmshöhe und der Schlosspark Wilhelmsthal gehört auch die Karlsaue zum European Garden Heritage Network. Sie ist ganzjährig frei zugänglich, abgesehen von der Blumeninsel Siebenbergen am südlichen Ende, die Eintritt kostet. Parkplätze gibt es reichlich am Auedamm entlang der Fulda, teils kostenpflichtig oder mit Parkscheibe.
Entlang des Fuldaufers finden sich verschiedene Restaurants, Bootshäuser und ein Schwimmbad.
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