Bis auf einen Strand mit Meeresbrandung gibt es in Nordhessen im Grunde nichts, was es nicht gibt, und so haben wir natürlich auch unseren eigenen kleinen Tafelberg, der im nordhessischen Bergland in der Nähe der A44 in die Höhe ragt. Auf den Burghasunger Berg wurde ich aufmerksam, als mir ein Artikel über Schneeglöckchen begegnete—zwar ist gerade Sommer und somit nicht die richtige Jahreszeit für die kleinen Frühblüher, aber einen Blick auf die Gegebenheiten kann man ja durchaus schon mal werfen.
Die Anfahrt gestaltet sich als einfach, die Straße führt unter der Autobahnbrücke hindurch, dann geht es steil bergauf und kurz darauf ist das Ziel auch schon erreicht, Burghasungen ist ein durchaus überschaubarer Ort, der sich lauschig an den Berg rankuschelt. Das kleine Museum zum Burghasunger Kloster, das über die Geschichte des Berges informiert, hat heute leider geschlossen. Aber der Wanderweg, der am Museum beginnt, ist als Eco Pfad ausgeschildert und unterhält Interessierte während der Wanderung mit geschichtlichen Fakten—Bildung im Freien also, ich mag es sehr, wenn man von einem Ausflug ein bißchen schlauer zurück nach Hause kommt.
Der Weg auf den Berg führt über eine asphaltierte Straße, vorbei an einer schlichten kleinen Kirche, die Strecke ist steil, aber kurz, wie es unser nordhessisches Mittelgebirge halt so an sich hat.
Eine gemütliche Bank mit Picknicktisch lädt zum Verweilen ein—theoretisch, praktisch ist der Lärm der nahen A44 beträchtlich, so dass der Wunsch nach ausgiebigem Picknick eher klein bleibt. Unablässig rollt der Verkehr und aus dem Tal schallt ein beständiges Brandungsgeräusch den Berg hinauf. Also lieber schnell weiter, noch eine Kurve, dann mündet der Weg ins Grüne und schon ist das Plateau erreicht. Eine kleine Herde Kühe schaut mir interessiert entgegen, vermutlich sind sie an den Lärm längst gewöhnt.
Hier stand mal ein Kloster
Das Benediktinerkloster Hasungen, das einst auf dem Burghasunger Berg stand, wurde zu Ehren des Wanderpredigers Heimrad gebaut. Der hatte sich auf dem Burghasunger Berg niedergelassen, nachdem er zuvor Reisen durch ganz Europa unternommen hatte und sogar bis nach Jerusalem gekommen war. Er starb im Jahr 1019—ein großes Kreuz, beschattet von ein paar Bäumen, erinnert heute an seine letzte Ruhestätte. An seinem Grab sollen sich Wunderheilungen ereignet haben, weshalb das Kloster große Beliebtheit in Pilgerkreisen erreichte. Heute sind vom Kloster nur noch ein paar versprengte Mauerreste zu sehen, dass es vor knapp 1000 Jahren zu den schönsten und reichsten Klöstern in Hessen zählte, merkt man auf den ersten Blick nicht mehr.
Das Hinweisschild verrät, dass das Kloster im 16. Jahrhundert aufgegeben und nach und nach abgebaut wurde, unter anderem verwendete man die Steine beim Bau von Schloss Wilhelmsthal—nachhaltiges Bauen war schon damals ein Thema, wer hätte es gedacht.
Blick in die Ferne
Ich umrunde das Gipfelplateau, das an strategisch gut gewählten Stellen mit Sitzbänken erfreut. Bis auf die Bäume am Kreuz ist der obere Teil des Berges unbewaldet und bietet rundherum beste Fernblicke in die nordhessische Landschaft, es grüßen die alten Bekannten Bärenberg, Dörnberg und Essigberg. Auf der Wiese blühen an den Hängen schöne Wiesenblumen um die Wette, in weiß, geld, blau und lila, in der Mitte des Plateaus befindet sich ein kleiner zugewachsener Teich, dazu die Kühe, ein Hauch Idylle.
Der Teich, wie der Eco Pfad zu berichten weiß, ist ein natürlich entstandenes Gewässer, von welchem aufgrund seiner ungewissen Tiefe im Volksmund vermutet wurde, dass er mit der Fulda verbunden sei und Tiere, die darin versinken in Kassel wieder auftauchen würden. Ich sehe davon ab, diese Auffassung auf den Prüfstand zu stellen, rein wegen der Idylle selbstverständlich.
An der Westseite des Berges führt der Weg über eine steile Treppe zurück ins Tal, plötzlich ist von der Autobahn rein gar nichts mehr zu hören, die einzigen Geräusche kommen von einem vorwitzigen Eichhörnchen, das im Geäst raschelt und meinen Abstieg von hoher Warte aus verfolgt.
Nach vielen Treppenstufen, die sich in kleinen Kurven in die Tiefe schlängeln, entdecke ich unten überraschenderweise eine Bühne mit symmetrisch im Halbkreis angeordneten Sitzbänken, die für eine amtliche Menge Menschen Platz bieten. Es handelt sich um die Bergbühne Burghasungen, mit allem möglichen hätte ich hier in der Wildnis gerechnet, aber ein kleines Amphitheater im Wald ist definitiv nicht dabei gewesen. Ich stelle mir vor, dass die Akustik durch die aufsteigenden Sitzränge und den Berg als Schallabdeckung im Hintergrund sicherlich fantastisch ist und die Location sich bestimmt hervorragend für verschiedene Veranstaltungen eignet.
Der Rest des Rundwegs führt im Halbkreis um den Berg herum, bald mündet er wieder in den kleinen Ort Burghasungen und dort meldet sich auch die Autobahn geräuschvoll zurück.
Und die Schneeglöckchen?
Der Legende nach haben Kreuzritter die kleinen Blumen nach Deutschland gebracht, auch wenn es dafür keine geschichtlichen Belege gibt. Vermutlich wuchsen sie bereits vor tausend Jahren in der Gegend zwischen dem Burghasunger Berg und Martinhagen in einer besonders nektarreichen und damit für frühe Insekten wichtigen Art, bis sie durch menschliche Eingriffe und Beweidung an ihren ursprünglichen Standorten nahezu dezimiert wurden. Nachzüchtungen konnte ein kundiger Gärtner aus dem Kasseler Landkreis in den 80er Jahren aus dem botanischen Garten vor der Vernichtung bewahren und kultiviert seitdem das “Schneeglöckchen vom Burghasunger Klosterberg” für die Auswilderung und Weitervermehrung.
Habichtswald Berg Eco Pfad AussichtspunktFirst published on , 866 words