In der Nähe von Kassel habt ihr ja auch Natur, bemerkte eine Freundin kürzlich erfreut bei einer Wanderung am Dörnberg.
Jawohl, das haben wir, rund um Kassel—übrigens die zweitgrünste Stadt Deutschlands, wie an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben darf—gibt es sogar ganze Parks, die voll mit dieser Natur sind! Einer davon ist der Naturpark Habichtswald westlich von Kassel, zu dem auch das Gebiet Dörnberg gehört.
Unter der Bezeichnung “Hoher Dörnberg” stellte sich die Freundin, gebürtige Österreicherin, natürlich etwas anderes vor als ein gerade mal 578 Meter hohes Hügelchen, auf das ein höchstens stellenweise steiler Pfad durch die grüne Landschaft hinauf führt.
Aber was für Größe gilt, gilt auch für Höhe—sie ist schließlich nicht alles und der Dörnberg hat viel zu bieten, was ihn zu einem beliebten Ausflugsziel macht: Geschichtsträchtiges aus der Welt der Kelten, steile und weniger steile Wanderwege, weite Blicke ins Kasseler Umland, kuriose Felsformationen und saisonal Segelflieger oder Snowkiter, die waghalsige Wendemanöver unternehmen. Und zwischendrin gibt es diverse Weidetiere, die den Kalkmagerrasen in Form halten.
Im Frühling blühen die Schlüsselblumen um die Wette mit wilden Orchideen und Küchenschellen, im Herbst rundet der Enzian das Bouquet ab, und wenn die tiefstehende Sonne durch die Bäume strahlt, entfaltet die Natur ihre volle Schönheit.
Wanderwege
Doch von Anfang an: Am Dörnberg in der Nähe der kleinen Stadt Zierenberg gab es bis Ende 2023 noch das Zentrum des Naturparks Habichtswald, das Ausstellungen und Informationen zum Naturpark anbot. Mittlerweile ist es geschlossen, jedoch stehen hier Parkmöglichkeiten zur Verfügung. Vom ehemaligen Zentrum laden mehrere gut ausgeschilderte Wanderwege zu kürzeren oder längeren Wanderungen ein, zum Beispiel der Alpenpfad oder der Jägerpfad, beide schlängeln sich als schmale Wege durch die Landschaft und es gibt immer wieder Rastmöglichkeiten auf Bänken mit tollen Ausblicken.
Auch ein Abschnitt des Streckenwanderwegs Habichtswaldsteigs, der über eine Gesamtlänge von 85 Kilometern von Zierenberg bis zum Edersee führt, verläuft am Dörnberg und den Helfensteinen entlang. Und nicht zuletzt gibt es den 9,6 km langen Eco Pfad Archäologie Dörnberg, der am Naturparkzentrum Habichtswald beginnt und endet.
Kleiner Dörnberg und Hoher Dörnberg
Der kleine Dörnberg ist sozusagen das Aufwärmtraining, auf der Kuppe des kleinen Dörnbergs zeigt die rotweiße Windhose die Windrichtung an, denn während der Saison werden hier Segelflieger hochgezogen und drehen ihre Runden. Bei Segelflugbetrieb ist dieser Teil des Geländes für Spaziergänger nicht geöffnet. Aber die umlaufenden Wanderwege Alpenpfad und Jägerpfad sind eine gute Alternative, auf denen eine Kollision mit den lautlosen Fliegern nicht zu befürchten ist.
Von der Kuppe des kleinen Hügels blickt man auf die Basaltformation Helfensteine und in die hessische Toskana, eine karge Landschaft aus Wacholderbäumchen, Buschland und Rasen, sie gehört übrigens zu den größten Wacholderheiden Europas. Aus Richtung Westen winkt der Turm des nahen Bärenbergs von seiner Kuppe herüber.
Vom Hohen Dörnberg aus ist die Sicht ins Kasseler Umland noch ein wenig besser, an klaren Tagen kannst du den Blick bis zum Meißner schweifen lassen. Oder einfach dem Herkules im Bergpark Wilhelmshöhe über die rechte Schulter bei seiner Arbeit als Wahrzeichen zusehen, er führt ein eher ruhiges Dasein, ein echter Bürohengst, der beim Beamtenmikado locker jeden Konkurrenten aussticht.
Den Kelten gefällt das
Archäologische Funde aus den letzten Jahren haben ergeben, dass der Dörnberg verschiedene Besiedlungsphasen unserer Vorfahren hinter sich hat, von denen die älteste über 5.000 Jahre in die Jungsteinzeit zurückdatiert wurde. Entdeckte Keramikscherben und Pfeilspitzen aus der frühen Zeit können im Kasseler Landesmuseum bewundert werden. Am Hohen Dörnberg wird auch die Existenz einer ehemaligen Burganlage vermutet, von der noch der Ringwall und Gräben erhalten sind, an denen man beim Aufstieg auf das Plateau vorbeikommt.
Bis vor kurzem stand auf der Kuppe des Hohen Dörnbergs noch ein kleiner Fichtenwald, jedoch hat die Trockenheit der letzten Jahre den Bäumen so stark zugesetzt, dass sie schließlich gefällt werden mussten. Auch die nordwestlichen Hänge wurden in den letzten Jahren von vielen abgestorbenen Bäumen befreit, denn der Klimawandel kennt keine Gnade mit unseren hessischen Wäldern.
Naturdenkmal Helfensteine
Die Helfensteine im östlichen Bereich des Dörnbergs sind eine Felsformation aus Basalt, wie hingeworfen liegen sie in der Landschaft herum, die ansonsten vor allem mit Gras bewachsen ist. Die Basaltfelsen sind ein spannendes Fotomotiv und vielleicht gefällt dir der Gegensatz der schroffen Steine zu den grünen Hügeln genauso gut wie mir.
Man vermutet, dass die Helfensteine in vorchristlicher Zeit eine Kultstätte waren, an der unsere Vorfahren kultige Dinge taten. Wer kann es ihnen verdenken, denn wenn die Sonne sich langsam über den Horizont schiebt, strahlen die Helfensteine durchaus eine große Portion Mystik aus. Und wer hätte da nicht spontan Interesse an ein paar Opfergaben oder einer morgendlichen rituellen Wanderung hinauf zu den Steinen?
Dieses Foto entstand an einem kalten Sonntag im Februar, für den ein besonders farbenfroher Sonnenaufgang vorhergesagt war. Diesen wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und verließ mein behagliches Bett vor der Dämmerung, um mir den beständigen Dörnberger Wind um die Nase wehen zu lassen. Ich wurde nicht enttäuscht, der Himmel feierte an diesem Morgen ein knallbuntes Fest, an das ich mich gern zurückerinnere.
“Boy meets girl” - Die Wichtelkirche
Doch nicht nur die Helfensteinen sind zu bewundern, sondern es gibt noch einen weiteren interessant geformten Felsen, nämlich die im Volksmund bekannte Wichtelkirche, auf der im Mittelalter einst eine kleine Burg namens Blumenstein gestanden haben soll. Übrig ist nur noch der Felsen, der grob an eine Kirche erinnert.
Die passende Sage dazu weiß, dass einst ein Wichtelkönig mit seinem Volk an diesem Felsen lebte. Der König verliebte sich in eine schöne junge Menschenfrau, der er versprach, zum christlichen Glauben überzutreten, wenn sie ihn heiraten würde. Für die Hochzeit erbaute er eine Kirche, in der die Feierlichkeit stattfinden sollte, doch vor dem Altar bekam die Frau es mit der Angst zu tun, weil ihr die Kirche kalt und seelenlos erschien, und sie ließ den Wichtelkönig sitzen, woraufhin die frisch erbaute Kirche mit einem Donnerschlag in sich zusammen fiel. Der übrig gebliebene, kahle Basaltfelsen ist das Überbleibsel, das den Beinamen Wichtelkirche trägt.
Heute führt ein steiler Pfad hinauf auf den Felsen und schon so mancher Sonnenuntergang wurde von dort bewundert—von der Kälte keine Spur mehr, ebenso wenig wie vom Verschmähten und seinem Volk.
Knorrige Bäume
Die Südseite des Hohen Dörnbergs ist bewaldet, hohe schlanke Buchen bewachsen seine steilen Hänge, der Weg aus Richtung des Zierenberger Ortsteils Friedrichstein führt in Serpentinen bis hinauf. Damit es nicht so langweilig wird, unterhalten die sogenannten Gespenstbäume beim Aufstieg, knorrige Gestalten, die ein wenig grimmig in die Welt und auf die vorbeikommenden Wanderer schauen.
Bisschen Muh dazu?
Im Sommer sind neben Ausflugbegeisterten jede Menge Kühe und manchmal Ziegen auf den Wiesen und Hängen des Dörnbergs unterwegs. Sie sind Teil eines Weideprojekts und gehören Landwirten aus dem Umland, je nach Wind und Wetterlage halten sie sich im weitläufigen Gebiet frei auf und stören sich nicht weiter an den Spaziergängern auf ihrer Weide. Ab und an kommen sie einem sanft glotzend beim Fotografieren vor die Linse oder tummeln sich an den Helfensteinen, vielleicht halten sie dort bei Vollmond auch ihre eigenen tierischen Rituale ab, wer weiß das schon so genau.
Drumherum
Sollte dir eine Wanderung über den Dörnberg nicht lang genug sein, kannst du gleich noch einen Abstecher auf den Schreckenberg anschließen, für den Ausblick vom dort stehenden 15 Meter hohen Aussichtsturm lohnt sich der Aufstieg auf jeden Fall.
Ebenfalls auf einem kleinen Rundweg liegt etwas versteckt im Wald der Hangarsteinsee, ein ehemaliger Steinbruch, in dem durch den Abbau von Basalt an einem Basaltfelsen über die Jahrzehnte ein kleiner See entstand. Und wo wir gerade bei Felsen sind, unterhalb des Dörnbergs findet sich ein weiterer, imposanter Brocken hessischen Basalts mitten im Wald: der Hohlestein, dessen heimliche Bewohner ebenfalls einen Besuch wert sind.
Gut zu wissen
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Hat dir dieser Artikel Lust auf einen Besuch am Dörnberg im schönen Habichtswald gemacht? Parkmöglichkeiten gibt es vor Ort, entweder direkt am ehemaligen Naturparkzentrum Habichtswald oder beim Zierenberger Ortsteil Friedrichstein, im dortigen Bergcafé kann außerdem nach der Wanderung hervorragend eingekehrt werden. Über Zierenberg kann das Gebiet auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln direkt bis zum Naturparkzentrum angefahren werden, jedoch lohnt der genaue Blick auf den Fahrplan, denn die Buslinie von Zierenberg aus fährt nicht besonders häufig.
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Für die Wanderwege gibt es verschiedene Startmöglichkeiten, je nachdem aus welcher Richtung du kommst. Sie sind alle bestens beschildert und ein Verlaufen ist quasi ausgeschlossen.
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Eine Windjacke dabeizuhaben, ist auch an warmen Tagen immer eine gute Idee, denn die Segelflieger starten schließlich nicht am Dörnberg, weil es so windstill ist.
Und das Wichtigste: Große Teile des Dörnbergs sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen, also lass nichts dort, was dir gehört und nimm nichts mit außer Fotos.
Grimmheimat Nordhessen: Dörnberggebiet
Berg Wandern Habichtswaldsteig Eco Pfad NaturdenkmalFirst published on , 1462 words