Schon häufig bin ich auf der Bundesstraße Richtung Hofgeismar unterwegs gewesen und habe den Ausblick auf den imposanten Baum am Horizont in der Ferne bewundert, der dort vornehm und sehr allein steht.
Doch ich bin noch nie in Richtung des Baumes von der Bundesstraße abgebogen, denn der Grund für eine Fahrt in diese Richtung ist in der Regel ein Verwandtschaftsbesuch im nahen Diemeltal und dabei würde ein Abstecher zum Baum den Zeitplan unnötig durcheinander bringen—und mich selbst am Ende um den Kaffee. Wer mich kennt, weiß, dass mein Humor im Zusammenhang mit koffeinhaltigen Heißgetränken ausbaufähig ist. Also blieb der Baum bis auf weiteres ein “wenn mal Zeit ist”-Ziel.
Zumindest bis heute, denn eine gewisse Pandemie hat kleine Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung deutlich in den Vordergrund gerückt, während Verwandtschaftsbesuche eher weniger angesagt sind. Und an diesem warmen Tag im Hochsommer ist es endlich soweit, das Wahrzeichen von Hombressen steht auf dem Programm.
Da es mir wie reinster Frevel erscheint, mit dem Auto direkt zu einem Baum zu fahren, der den wunderbaren Namen Friedenseiche hat, parken wir im Ort und laufen in der gleißenden Sonne bergan. Kein Schatten weit und breit und keine Menschenseele zu sehen, mal abgesehen von einem Mähdrescher in der Größe eines Tinyhouses, der auf dem Feld emsig seine Runden dreht und dabei eine Staubfahne gewaltigen Ausmaßes hinter sich herzieht.
Dürre in Deutschland, auch hier ist sie zu spüren.
So ähnlich stelle ich mir jedenfalls das Pilgern auf dem Camino de Santiago vor, man braucht dafür nicht extra bis nach Spanien reisen, kann man alles hier direkt vor der Haustür haben.
Heimlicher Filmstar
Kaum sind die endlosen Höhenmeter überwunden, kommt auch schon die Eiche ins Bild und ist noch ein ganzes Stück imposanter, als ich sie mir vorgestellt hatte. Von wegen “kleine Sehenswürdigkeit”! Zeitgleich mit unserer Ankunft staubt ein Kleinwagen heran, der zwei schnatternde Frauen ausspuckt und während wir auf der Bank unter der Eiche bei einem Schlückchen kühlen Getränks verschnaufen und den grandiosen Rundblick genießen, lauschen wir dem Gespräch der Damen.
Wir erfahren dabei viel Nebensächliches, das wir gar nicht so dringend wissen wollten, aber unter anderem auch, dass die Eiche sogar schon im Kino zu sehen war—falls du dich für Pferdefilme interessierst (ich gehe davon aus, dass du das tust, irgendwer muss die ja gucken), schau die Filmreihe “Ostwind” und achte mal darauf.
Die Bank auf der wir sitzen, wurde für die Dreharbeiten zwischenzeitlich abmontiert und anschließend wieder neu errichtet. Was sich wie sinnloses Wissen anhört, kann an heißen Sommertagen wie diesen durchaus zum Gesprächsthema werden.
Friedenssymbol seit 150 Jahren
Wir sitzen noch eine ganze Weile im Schatten der alten Eiche. Die Pferdefilme sind natürlich nicht der Hauptgrund ihres Daseins, sondern sie wurde im Jahr 1871 anlässlich des Endes des Deutsch-Französischen Krieges als Symbol für den Frieden gepflanzt. Und damit ist die Eiche im Grunde ein Jungspund, sozusagen ein Teenager, denn im Urwald Sababurg im Reinhardswald ganz in der Nähe gibt es deutlich ältere Vertreter ihrer Gattung.
Die sommerlich-heißen Temperaturen spielen unter dem dichten Blätterdach kaum eine Rolle. Der Ausblick ins Kasseler Land—von den vielen, vielen Windrädern mal abgesehen—ist wirklich sehenswert und wir beschließen, demnächst öfter hier vorbei zu schauen.
Fotospot Reinhardswald NaturdenkmalFirst published on , 549 words