Vorhang auf für Schneeglöckchen, Krokusse und Co

Tipps für bessere Blumenfotos

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Tutorial

Endlich ist der Frühling da! So sehr ich den Winter auch schätze, so sehr freue ich mich jedes Jahr auf die ersten milden Tage und vor allem auf die ersten Farbtupfer, die nach der langen, monochromen Zeit die Welt wieder etwas bunter machen.

Schneeglöckchen, Krokusse, Osterglocken, Buschwindröschen, zarte Blüten und erste, hellgrüne Blätter, sie lassen das Herz höher schlagen und wecken Frühlingsgefühle. Doch wie fängt man diese Kostbarkeiten am besten mit der Kamera ein? Viele traurige Fotos von den ersten Frühblühern zeigen überbelichtete, glänzende Blätter mit harten Schatten vor einem unruhigen Hintergrund, auf denen die Stimmung, die am Ort des Geschehens herrschte, bestenfalls noch grob zu erahnen ist.

Dabei ist es ganz leicht, schöne Fotos von Blumen zu machen. In diesem kleinen Tutorial möchte ich dir Tipps auf den Weg geben, die deine Fotografie mit einfachen Mitteln auf das nächste Level heben.

Tulpen im Abendlicht

Tulpen im Abendlicht

Tipp 1 - Die richtige Linse

Für Fotos mit vielen Details, bei denen du möglichst nah an das Motiv heran möchtest, empfiehlt sich eine Makrolinse, mit der du den Blumen bis an den kleinsten Pollenstaub auf die Pelle rücken kannst.

Falls du kein Makroobjektiv dein eigen nennst, tut es auch eine normale Linse oder ein Zoomobjektiv mit einer etwas höheren Brennweite. Ich selbst nehme für meine Blumenbilder oft meine Portraitlinse mit 85mm Brennweite zur Hand, in Tipp 3 sage ich dir, warum.

Tipp 2 - Kenne das Licht

Für unsere Blumenfotos möchten wir ein möglichst weiches, gedimmtes Licht, das keine harten Schatten in die zarten Blütenblätter wirft. Das kann man künstlich erzeugen oder einfach auf die richtigen Bedingungen des natürlichen Lichts warten - am besten sind diese direkt nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang. In dieser Zeitspanne steht die Sonne direkt über dem Horizont und schickt ihr Licht im flachen Winkel zur Erde.

Die Atmosphäre wirkt in zweierlei Hinsicht wie ein Filter, durch ihre natürliche Dichte sorgt sie dafür, dass das Sonnenlicht insgesamt weniger hell bei uns ankommt. Gleichzeitig wird das blaue und violette Lichtspektrum gestreut, so dass vor allem oranges und rotes Licht übrig bleibt. Je länger der Weg des Lichts durch die Atmosphäre ist, also je tiefer die Sonne über der Erde steht, desto stärker ist der Filtereffekt. Violà: Das ist die Wissenschaft hinter der viel gerühmten goldenen Stunde, des Fotografen liebste Tageszeit. Im Grunde ist es nämlich ganz egal, was man während der goldenen Stunde fotografiert, es kann gar nicht schlecht aussehen.

Krokusse im Morgenlicht

Krokusse im Morgenlicht

In den ersten Frühlingstagen steigt die Sonne noch nicht so schnell und hoch in den Himmel wie später im Jahr, das sind ideale Bedingungen für eine ausgedehnte natürliche, goldene Beleuchtung. Bonuspunkt: Der Sonnenaufgang findet zu humanen Zeiten statt und nicht schon mitten in der Nacht. Falls du wie ich nicht zu den Frühaufstehern gehörst, nutze die frühen Monate im Jahr—je näher der Sommer kommt, desto mehr Überwindung braucht es, sich “mal eben für schönes Licht auf Blumen” um 4 Uhr aus dem Bett zu quälen.

Tipp 3 - Weiter ist besser

Viele Blumenfotos haben ein gemeinsames Problem: sie sind zu unruhig, weil viel zu viele Informationen darin sind und das Auge des Betrachters nicht in das Motiv hineingeführt wird. Ansprechender werden Blumenfotos, wenn die zarten Blüten, eine einzelne Pflanze oder eine schöne Knospe freigestellt werden, so dass das Hauptmotiv scharf abgebildet ist und der Hintergrund verschwimmt.

In einem großen Beet aus Krokussen oder Schneeglöckchen kann das manchmal gar nicht so einfach sein, da die Blumen dicht an dicht stehen und von Freistellung so gar nichts zu halten scheinen. Da ist ein bisschen Rumprobieren und Hin- und Herlaufen gefragt, bis das richtige Objekt gefunden ist. Bei den unten stehenden Buschwindröschen habe ich mich zum Beispiel für eine geöffnete Blüte im vorderen Drittel des Feldes entschieden.

Die ersten Frühlingsgrüße

Die ersten Frühlingsgrüße

Die Freistellung erreichst du, indem du an deiner Kamera die Blende so weit wie möglich öffnest und den Fokus auf das Motiv setzt. Je weiter der Hintergrund nun von deinem Motiv entfernt ist, desto mehr verschwimmt er.

Die Darstellung dieser Unschärfe hängt vom Aufbau des verwendeten Objektivs ab und bei manchen Linsen entstehen mehr oder weniger runde Kreise in unterschiedlichen Helligkeitsstufen. Für den unscharfen Teil eines Bildes hat sich der japanische Begriff Bokeh etabliert - was ganz unspannend “Verschwommen” bedeutet, aber halt irgendwie cooler klingt. Die Unschärfe verändert sich mit der gewählten Blende, je weiter die Blende geöffnet ist, desto weicher und runder wird das Bokeh, je weiter die Blende geschlossen ist, desto detaillierter wird der Hintergrund.

Fotograf:innen können Stunden damit verbringen, über die Güte, Qualität und Form des Bokehs ihrer Objektive zu fachsimpeln. Ich gebe zu, dass ich in dieser Beziehung ebenfalls ein wenig zum rumnerden neige und meine 85mm Festbrennweite bei der Blumenfotografie jedem Makroobjektiv vorziehe. Und das, obwohl sie als klassische Portraitlinse für Nahaufnahmen durch den hohen Mindestabstand zum Objekt etwas umständlich in der Handhabe ist—aber sie macht eben so ein tolles, butterweiches Bokeh, für das ich mich bei jeder Aufnahme wieder neu begeistere… ich schweife ab.

Knospende Rosen auf der Roseninsel im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel

Knospende Rosen auf der Roseninsel im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel

Es empfiehlt sich, mit der Freistellung ein wenig rumzuprobieren und mit verschiedenen Blendenöffnungen zu spielen, wer weiß, vielleicht erweist sich deine Linse ja ebenfalls als Bokehmonster.

Tipp 4 - Ab in den Schmutz

Blumen, vor allem die ersten Frühblüher, wachsen in der Regel dicht am Boden. Fotografierst du sie von oben, wirken sie verstreut und unordentlich und die zarten Farben kommen vor dem meist dunklen Hintergrund nicht gut zur Geltung. Zeit also für ein wenig Gymnastik, denn wir möchten die Kamera auf derselben Höhe wie die Blütenkelche platzieren, und Squats, wie der Sportler weiß, sind ja ziemlich gesund.

Ein Meer voller Krokusse

Ein Meer voller Krokusse

Die mitleidigen Blicke vorbeigehender Menschen lassen sich leichter ertragen, wenn du dich dafür nicht direkt in den Schlamm wirfst, sondern entweder eine mitgebrachte Unterlage nutzt oder—falls deine Kamera ein solches besitzt—das Klappdisplay so einstellst, dass du bequem von oben darauf schauen kannst.

Tipp 5 - Die Sonne ist dein Freund

Nachdem wir die richtige Güte des Lichts durch die goldene Stunde haben, ist noch die Frage nach der Positionierung des Lichts zu klären. Hier gibt es meiner Meinung nach kein Richtig und Falsch, vielmehr kommt es darauf an, welche Stimmung auf deinem Bild herrschen soll, denn alle Positionen haben ihre Vor- und Nachteile.

Scheint die Sonne frontal auf dein Motiv, so ist es zwar gut ausgeleuchtet, aber die Farben können flach wirken. Seitliches Licht kann Spannung ins Bild bringen, aber auch viele Schatten, die die Blüten unruhig wirken lassen. Bei direktem Gegenlicht kann mit einer entsprechend kurzen Belichtungsdauer die Sonne sogar Teil des Motivs werden, wie im untenstehenden Bild eines Grashalms. Die Farben verschwinden bei diesem Winkel jedoch im Schatten. Teste dich am besten durch alle Varianten und stelle dir dabei die Frage, welche Lichteinstrahlung dein Motiv am besten zur Geltung bringt.

Ein Grashalm im Gegenlicht der Abendsonne

Ein Grashalm im Gegenlicht der Abendsonne

Ein Vorteil im Frühling: Über Nacht wird es häufig noch so kalt, dass sich Raureif bildet, der sich auf den Blättern und Blüten absetzt. Sobald frühmorgens die ersten Sonnenstrahlen darauf treffen, entstehen hell leuchtende Punkte, die sich hervorragend in den unscharfen Teil des Bildes einfügen.

Tipp 6 - Kontrolle ist besser

Du hast alles beachtet, das Licht korrekt eingesetzt, die Perspektive gut gewählt, die richtige Stimmung ins Bild gebracht und alles schön freigestellt? Sehr gut! Nun ist der perfekte Zeitpunkt, um dir das Bild in der Kamera anzusehen, am besten auf maximaler Vergrößerung.

Die kleinen frischen Blumen können nämlich ziemliche Ferkel sein und sammeln an ihren Blütenblättern Spinnweben, Insektenbeine und sonstigen Kram. Mit bloßem Auge fallen diese Störer nicht weiter auf, aber die Kamera mit ihrem hochauflösenden Sensor sieht einfach alles und nicht selten habe ich beim Entwickeln in Lightroom ganze Heerscharen von Insekten auf den Blüten entdeckt. Oder angefressene, eingerissene Blütenblätter. Oder im Hintergrund einen großen dunklen Fleck, der zum Beispiel durch ein verwelktes Blatt geworfen wird.

Natürlich kann man diese Störer auch in der Bildbearbeitung entfernen, aber wenn man bereits vor Ort ein bisschen darauf achtet, hat man später deutlich weniger Arbeit. Große Felder blühender Schätze wie zum Beispiel Raps, lassen sich auch hervorragend einfangen, wenn man sie als Vordergrund für das Motiv nimmt und mit geöffneter Blende ins Unscharfe verschwimmen lässt, wie bei diesem Beispiel der Friedenseiche im Hintergrund eines Rapsfeldes.

Die Friedenseiche bei Hombressen im Frühling

Die Friedenseiche bei Hombressen im Frühling

Bonustipp: Und wenn gar keine Sonne scheint?

Kennst du den Spruch “If life gives you a rainy day, play in the puddles”? Wenn der Himmel trüb bleibt oder es mit dem Sonnenaufgang nicht so klappt wie geplant, sieh es als Chance und nicht als vergebenes Aufstehen.

Ein bedeckter Himmel hat nämlich auch große Vorteile, da er wie eine riesige Softbox wirkt und du dir um Schatten keine Gedanken machen musst. Die entstehenden Fotos haben ihre eigene, gedämpfte Stimmung und die Farbigkeit der Blütenblätter kommt ganz anders zur Geltung. Du kannst sogar direkt gegen den Himmel und die Wolken fotografieren, ohne dass die Blütenblätter ihre Farbigkeit einbüßen.

Mohnblumen

Mohnblumen

An trüben Tagen musst du die Aufnahmen jedoch länger belichten als bei Sonnenschein, falls du den ISO-Wert nicht zu sehr in die Höhe schrauben willst. Ein möglichst windstiller Ort ist dann von Vorteil und natürlich ein Stativ, um die kleinen Schätze wackelfrei einfangen zu können.

Was blüht denn nun wo und wann?

Februar: Schneeglöckchen, Krokusse

Den Anfang im Jahr machen die Schneeglöckchen, bereits im Februar halten sie ihre weißen Kelche an die frische Luft. Du findest sie in Parks und lichten Wäldern meist in großen Gruppen, sie dienen als erste Nahrungsquelle für die Frühaufsteher unter den Insekten. Gleich nach den Schneeglöckchen sind die Krokusse an der Reihe, sie wachsen eher selten in Wäldern, denn sie bevorzugen es sonnig und mögen lieber Parks und große Wiesen. Krokusse gibt es in weiß, zartlila und manchmal auch in gelben Farbtönen. Je kleiner ihre Blüten, desto früher im Jahr blühen sie. Große Mengen Krokusse gibt es zwar nicht in Hessen, aber zum Beispiel in Tirol am Möltner Joch, im Naturschutzgebiet Zavelsteiner Krokuswiesen oder auch auf dem alten Südfriedhof in München.

März: Krokusse, Anemone, Schlüsselblumen, Zierkirsche, Märzenbecher

Ab März folgen Anemonen, Märzenbecher und Schlüsselblumen, sie wachsen ebenfalls gern in Wäldern unter Laubbäumen, die um diese Jahreszeit noch kahl sind, oder auf mageren Wiesen wie zum Beispiel am Naturschutzgebiet Dörnberg, der jedes Jahr im Frühling von einem gelben Blütenteppich bedeckt wird. Auch die Zierkirschen schmücken sich in diesem Monat mit dicken rosa Blüten, die hervorragende Fotomotive sind.

April: Tulpenblüte, Kirschblüte, Rapsblüte, Hasenglöckchen

Der April ist der Startmonat für Tulpen und Raps, während die Rapsfelder meist von überall goldgelb an den Straßen leuchten, findet man Tulpen außerhalb der Niederlande am besten auf Feldern zum Selbstpflücken (vielleicht auch eine gute Gelegenheit, sich ein Sträußchen für den Tisch mit nach Hause zu nehmen, wobei ich es eher mit Christian Morgenstern und dessen Zitat “Ich habe heute ein paar Blumen für dich nicht gepflückt, um dir ihr Leben mitzubringen” halte). Ab etwa Mitte April öffen sich die Kirschblüten, dann lohnt sich ein Ausflug nach Witzenhausen ins Kirschblütenland.

Mai: Bärlauchblüte

Den Abschluss des Frühlingsreigens bildet der Bärlauch, der ab Mai mit seinen weißen Blüten in den Wäldern für Gelüste nach Knoblauchbrot sorgt.

Juni und Juli: Mohnblüte, Sonnenblumen, Lavendelblüte, Rosenblüte

Wenn das Jahr in den Sommer übergeht, kommt die Zeit des Mohns, in rosa oder rot verschönert er Fahrten über Land, im nördlichen Hessen im schönen Geo-Naturpark Frau-Holle-Land gibt es mittlerweile ein ganzes Mohndorf, das einmal jährlich einen großen Besucheransturm erlebt, wenn der Schlafmohn zur Blüte kommt. Und Lavendel, der sich klimatisch eigentlich in der Provence wohler fühlt, hat sich ebenfalls schon fast bis nach Nordhessen vorgearbeitet, im benachbarten Bundesland Nordrhein-Westfalen im Ort Fromhausen können große Felder davon bestaunt werden, aufgrund des großen Andrangs allerdings mittlerweile mit Eintritt und nur zu bestimmten Uhrzeiten. Dann vielleicht doch lieber den Weg in die Provence auf sich nehmen—oder eben auf die Heideblüte warten.

August: Heideblüte, Blutweiderich, Sonnenblumen

Im August lohnt sich ein Ausflug in die Lüneburger Heide, die in diesem Monat ein zartlila Traum ist. Vereinzelt findet man Heide auch in Wäldern in Nordhessen, aber die größten und schönsten Flächen sind in und um Lüneburg zu sehen. Und an Flüssen und Seen blüht jetzt der Blutweiderich, ebenfalls in strahlend schönem Violett.

September bis November: Sonnenblumen, Herbstzeitlose, Astern

Den Herbst über halten Sonnenblumen, Herbstzeitlose und Astern noch die Stellung, mit den ersten kühlen Nächten endet langsam das Blumenjahr, auch wenn ein paar robuste Schönheiten frostigen Temperaturen erstaunlich lange trotzen, die Rosen in meinem Garten legen zum Beispiel regelmäßig eine zweite Blüte im November ein und schmücken sich in der Früh mit feinen Eiskristallen. Und dann dauert es nicht mehr lang, bis die ersten Schneeglöckchen sich aus dem Boden wagen und alles wieder von vorn beginnt.

Ich hoffe, dir haben die Tipps geholfen und bin gespannt, ob und wie du sie umsetzen kannst.

Blütezeit Fotografie

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Kathinka
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Kathinka

Lebt im grünen Nordhessen, weil es dort so schön ist. Hat als studierte Germanistin in langjähriger Arbeit in der Informatik Nerdwissen Deluxe gesammelt. Mag Matsch und Schlamm genauso gern wie einen bunten Sonnenaufgang, steht für beides auch mal mitten in der Nacht auf und findet, dass es generell nie genug Bilder von Bäumen im Nebel geben kann.

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